Anleihen / Insolvenz

Informationen zu Anleihen und Insolvenz

Unternehmen gehen zunehmend dazu über, sich nicht nur durch Bankkredit zu finanzieren, sondern durch alternative Finanzierungsinstrumente, insbesondere Anleihen. Insolvenzursächlich sind dementsprechend zunehmend notleidende Verbindlichkeiten aus Schuldverschreibungen.

Maßgeblich sind dann nicht allein die Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO) und des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), sondern auch das Gesetzes über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (SchVG).

Für das Insolvenzverfahren sieht § 19 SchVG Sonderregelungen vor. Insbesondere können die Anleihegläubiger durch mehr als Beschluss zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Insolvenzverfahren einen gemeinsamen Vertreter bestellen (§ 19 Absatz 2 Satz 1 SchVG).

Der gemeinsame Vertreter für alle Gläubiger ist alleinberechtigt und verpflichtet, die Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren geltend zu machen (§ 19 Abs. 3 SchVG). Er kann Auskunftserteilung vom Anleiheschuldner verlangen (7 Abs. 5 SchVG). Zudem hat er die Befugnis, eine Gläubigerversammlung einzuberufen (§ 9 Abs. 1 SchVG) und den Versammlungsvorsitz zu führen (§ 15 Abs. 1 SchVG). Der gemeinsame Vertreter haftet den Gläubigern von Gesetzes wegen (§ 7 Abs. 3 SchVG) für die ordentliche und gewissenhafte Erfüllung seiner Aufgaben. Eine gesonderte Versammlung der Anleihegläubiger zur Wahl eines gemeinsamen Vertreters (§ 19 Abs. 2 SchVG) ist allerdings nur dann vom Insolvenzgericht einzuberufen, wenn die Anleihebedingungen der Schuldnerin ausdrücklich die Anwendbarkeit des 2. Abschnitts des SchVG (§§ 5-22 SchVG) vorsehen (LG Hamburg, Beschluss vom 12.10.2017 - 326 T 157/16, ZIP 2017, 2418 ff.).

Der gemeinsame Vertreter soll die Interessen des Anleihegläubiger insbesondere in der Krise des Unternehmens wahren, wozu u.a. auch gehören kann, angestrebte Sanierungsmaßnahmen zu prüfen und bei Verhandlungen das für den Anlagegläubiger optimale Ergebnis zu erreichen.

In dem Umfange, in welchem Anleihen das Insolvenzgeschehen stärker prägen, hat der Bundesgerichtshof vermehrt Gelegenheit, insolvenznahe Rechtsfragen im Zusammenhang mit Anleihen zu entscheiden. Insbesondere ist zu beobachten, dass Anleihegläubiger im Vorfeld einer Insolvenz Kündigungen aussprechen, um sich – jedenfalls abweichend von den Vorschriften des SchVG - Sondervorteile zu verschaffen. Hierzu hat der BGH in einem Urteil vom 8. Dezember 2015 folgenden amtlichen Leitsatz vorangestellt: „Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger nach § 5 SchVG sind auch für solche Gläubiger derselben Anleihe gleichermaßen verbindlich, die die Anleihe zuvor wegen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Emittentin außerordentlich gekündigt haben“ (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2015; ZIP 2016, 308). Die insolvenznahe Kündigung vermag daher u.U. keinen Sondervorteil begründen.

Ohnehin sind Kündigungen auch im Krisenfall nicht immer möglich. So hat der Gläubiger einer Anleihe nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes (Urt. v. 31.5.2016 – XI ZR 370/15, ZIP 2016, 1279 ff.) trotz Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners kein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grunde, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung bereits Sanierungsbemühungen nach dem Schuldverschreibungsgesetzt von 1899 beabsichtigt und zeitnah entfaltet hat.

Aber auch die Instanzgerichte werden zunehmend mit insolvenzspezifischen Fragestellungen im Zusammenhang mit Anleihen befasst. So haben das Landgericht Düsseldorf (Urt. v. 11. Mai 2016 – 23 O 97/15, ZIP 2016, 1036 ff.) und das Landgericht Saarbrücken (Urt. v. 3. September 2015 – 4 O 221/14, ZIP 2016, 1038 ff.) vertreten, der Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters sei eine Insolvenzforderung und keine Masseverbindlichkeit. In der Tat hat dann auch auch der BGH mit Beschluss vom 14. Juli 2016 - IX ZB 46/15, ZInsO 2016, 1650 ff. - entschieden, dass Vergütungen und Auslagen des gemeinsamen Vertreters nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens gehören. Sie können daher vom Insolvenzgericht nicht festgesetzt werden.

Für Sanierungen interessant ist die Neufassung des Aktiengesetzes durch die Aktienrechtsnovelle 2016 (§§ 192, 194, 221 AktG): Hiernach kann im Falle der drohenden Zahlungsunfähigkeit oder auch zum Zwecke der Abwendung der Überschuldung ein sanierender Debt Equity Swap durchgeführt werden. Hierdurch gehen die Rückzahlungsansprüche aus der Anleihe unter, da der Gläubiger zum Anteilseigner wird. Die Fortführungsprognose als Liquiditätsprognose wird ggf. wieder positiv, so dass der Eröffnungsgrund einer Insolvenz entfällt.

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